Für Deutsch werben

Teil meiner Arbeit in Samara war es, Russlanddeutsche zu unterstützen. Diese Unterstützung äußerte sich in enger Zusammenarbeit mit dem russlanddeutschen Kulturzentrum in Samara und in der Teilnahme an regionalen Veranstaltungen der Russlanddeutschen.

Im Frühjahr standen drei weitere Auswärtstermine zur Förderung des Deutschtums (oder zumindest der deutschen Sprache) an: Im Programm „Freunde vor Ort“ des Goethe-Instituts besuchen die SprachassistentInnen russlanddeutsche Vereine in Kleinstädten der Region, um mit den Kindern und Jugendlichen Sprachspiele zu spielen und so für Deutsch und Deutschland zu werben. Denn die Zahl der DeutschlernerInnen sinkt in Russland; die Menschen versprechen sich mehr von Englisch als erster Fremdsprache. (Kleine Anmerkung aus aktuellem Anlass: Der Kulturminister der Russischen Föderation, Wladimir Medinskij, regt an, das Erlernen von Fremdsprachen einzuschränken. Es stehe schlecht um die Russischkenntnisse der Schüler, da solle man sie nicht zu sehr mit Fremdsprachen belasten.)

Zurück an die Wolga: An einem wunderschönen Spätapriltag fuhr ich also mit zwei Kolleginnen des Samaraer russlanddeutschen Kulturzentrums nach Bolschaja Konstantinowka, einem etwa 150 Kilometer (drei Autostunden) nördlich von Samara gelegenen Dorf. Bolschaja Konstantinowka hat, glaube ich, nicht mehr als einige Hundert Einwohner. Die Schule geht bis Klasse 6 mit jahrgangsübergreifendem Unterricht, die größeren Kinder fahren in die nahe Kleinstadt zur Schule.

Von Samara nach Bolschaja Konstantinowka fährt man durch eine weite und leere Hügellandschaft, leider jedoch nicht direkt an der Wolga entlang, nordwärts.

Von Samara nach Bolschaja Konstantinowka fährt man durch eine weite und leere Hügellandschaft, leider jedoch nicht direkt an der Wolga entlang, nordwärts.

Das „Freunde-vor-Ort“-Programm an diesem Tag war eingebettet in den Feiertag zum 150-jährigen Bestehen des von Deutschen gegründeten Dorfes. Besondere Aufmerksamkeit erhielt ein alter Herr, salopp gesagt: der Dorfdichter. Die Schulkinder waren fein herausgeputzt, ausgewählte Kinder rezitierten Gedichte und referierten auswendig gelernten Wortlaut über das Wirkens des Dichters des Dorfes, der auch die Funktion eines Chronisten hatte.

Der offizielle Teil: Die Vorsitzende des russlanddeutschen Kulturvereins in Samara hält eine Begrüßungsansprache. Neben ihr der Bürgermeister und der Chronist des Dorfes.

Der offizielle Teil: Die Vorsitzende des russlanddeutschen Kulturvereins in Samara hält eine Begrüßungsansprache. Neben ihr der Bürgermeister und der Chronist des Dorfes.

Nach Fakten und Gedichten führten die Schüler Tänze auf. Solche kleinen Auftritte der Kinder sind sehr beliebt und bei vielen Veranstaltungen fester Bestandteil des Programms.

Nach Fakten und Gedichten führten die Schüler Tänze auf. Solche kleinen Auftritte der Kinder sind sehr beliebt und bei vielen Veranstaltungen fester Bestandteil des Programms.

Nach dieser Veranstaltung wurde die Gruppe geteilt, und ich begab mich zwecks Programmdurchführung mit 20 kleineren Kindern (und zwei anderen Begleitpersonen, ein Glück!) in den Tanzsaal des Jugendclubs neben der Schule, wo ich feststellen musste: Das, was ich vorbereitet hatte, passte in keinster Weise zu den kleinen Leuten, die mich jetzt erwartungsvoll ansahen. Wie so häufig in meiner Zusammenarbeit mit Akteuren in Russland hatte ich mich zu sehr auf die Informationen verlassen, die mich im Vorfeld erreicht hatten. Weil in Russland aber viel schneller als in Deutschland alles doch ganz anders sein kann (und weil das für die russischen Leute auch vollkommen okay ist), war ich jetzt schlecht vorbereitet. Weil aber niemand perfekte Vorbereitung erwartet hatte, verbrachten wir anderthalb launige Stunden mit internationalen Tierlauten, deutschen und russischen Liedern, Klatsch- und Reigenspielen. Nicht viel Deutsch, aber viel Spaß.

Dieses Spiel haben wir ganz zum Schluss gespielt: Ein Kind dreht sich in der Mitte mit geschlossenen Augen und ausgestrecktem Finger um die eigenen Achse, während alle anderen sich an den Händen haltend einen gegenläufigen Kreis um das Kind beschreiben und ein kurzes Lied singen. Ist das Lied zu Ende, bleiben alle stehen, und das Kind, auf das gezeigt wird, muss mit dem Kind in der Mitte ausknobeln, wer zurück in den Kreis darf. Die Kinder hatten eine Riesengaudi. Zu ihrer Enttäuschung musste ich nicht einmal in den Kreis.

Dieses Spiel haben wir ganz zum Schluss gespielt: Ein Kind dreht sich in der Mitte mit geschlossenen Augen und ausgestrecktem Finger um die eigenen Achse, während alle anderen sich an den Händen haltend einen gegenläufigen Kreis um das Kind beschreiben und ein kurzes Lied singen. Ist das Lied zu Ende, bleiben alle stehen, und das Kind, auf das gezeigt wird, muss mit dem Kind in der Mitte ausknobeln, wer zurück in den Kreis darf. Die Kinder hatten eine Riesengaudi. Zu ihrer Enttäuschung musste ich nicht einmal in den Kreis.

Ein ganz großes Ding sind Urkunden in jeder Form. Natürlich erhielten alle Kinder von mir mitgebrachte Urkunden über ihre Teilnahme an diesem deutschen Projekt. Die russische Flagge im Hintergrund wurde eigens für dieses Foto heruntergelassen.

Ein ganz großes Ding sind Urkunden in jeder Form. Natürlich erhielten alle Kinder von mir mitgebrachte Urkunden über ihre Teilnahme an diesem deutschen Projekt. Die russische Flagge im Hintergrund wurde eigens für dieses Foto heruntergelassen.

Anschließend wurde ich wieder mit den Samaraer Kolleginnen zusammengeführt, und gemeinsam mit den örtlichen Mitwirkenden wurde recht üppig zu Mittag gegessen. Als meine Kollegin anmerkte, ich solle eines der gekochten Eier probieren, Eier von Dorfhühnern seien besonders lecker, lud die Dame neben mir mich spontan ein, mit zu ihr zu kommen. Sie habe noch mehr Eier und außerdem eine Ziege. Ich meldete mich bei den Samaraer Kolleginnen ab und ging dann aber doch für eine Stunde verloren. Man hatte schon lange fahren wollen, aber mein Handy war lautlos, während ich beim Ziegemelken zuguckte (die Ziege hieß Mascha) und mich auf frische Kartoffelpuffer wartend über die tollpatschigen Katzenbabys amüsierte.

Schließlich bin ich mit 30 Eiern und einem Liter Ziegenmilch nach Hause gefahren. Zwei Drittel der Eier habe ich verschenkt, aber von der Milch wollte niemand etwas. Einen dreiviertel Liter habe ich geschafft, aber weil die Milch unbehandelt war, war am dritten Tag nichts mehr zu machen.

Gemeinsam mit zwei Goethe-Kolleginnen aus Togliatti und Saratow habe ich im Mai noch eine weitere „Freunde-vor-Ort“-Fahrt gemacht. Es ging 150 km in den Osten, nach Pochwistnewo. Hier ein paar Eindrücke.

Pochwistnewo ist eine Kleinstadt. Hingefahren sind wir mit der Elektritschka. Das ist eine Art Vorortzug. Zurück haben wir eine Marschrutka genommen. Das wird immer mit "Sammeltaxi" übersetzt. Es ist ein Sprinter mit etwa zwölf Sitzplätzen.

Pochwistnewo ist eine Kleinstadt. Hingefahren sind wir mit der Elektritschka. Das ist eine Art Vorortzug. Zurück haben wir eine Marschrutka genommen. Das wird immer mit „Sammeltaxi“ übersetzt. Es ist ein Sprinter mit etwa zwölf Sitzplätzen.


Auch hier waren die Kinder für die Veranstaltung besonders gut angezogen. Im Bild meine Kollegin, die etwas auf einer Karte zeigt.

Auch hier waren die Kinder für die Veranstaltung besonders gut angezogen. Im Bild meine Kollegin, die etwas auf einer Karte zeigt.


Für die Jugendlichen hatte eine Kollegin einen Musik-Workshop vorbereitet. Dringendste Frage der Kids: "Wieso haben Sie nichts von Rammstein dabei?"

Für die Jugendlichen hatte eine Kollegin einen Musik-Workshop vorbereitet. Dringendste Frage der Kids: „Wieso haben Sie nichts von Rammstein dabei?“

Diese Besuche auf dem Land sollen das Interesse für Deutsch steigern und helfen, dem Konzept „Deutschland“ Leben einzuhauchen. Schließlich haben die meisten Dorfleute kaum je West-Ausländer gesehen. Es macht sehr viel Spaß, mit den Menschen auf dem Land zusammenzukommen, einige haben ein richtig ehrliches Interesse an Deutschland und an uns als Besucherinnen. Allerdings ist ein Nachmittag viel zu kurz, um etwas aufzubauen. Zwar findet das Programm jedes Jahr statt – aber häufig an unterschiedlichen Orten, und auch die SprachassistentInnen sind jedes Jahr neu. Mir fällt keine perfekte Lösung ein, aber irgendwie müsste man den Kontakt intensivieren. An sich ist es eine tolle Sache.

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